Ahnenforschung ist ein spannendes Thema. Man hat keine Ahnung, was einen dabei erwartet, wenn man anfängt, sich mit diesem Thema zu beschäftigen - es wird eine Zeitreise in die Vergangenheit, und auf dieser Reise lernt man vieles über die zurückliegenden Jahrhunderte, was einem völlig unbekannt war.

Diese Reise endet nie - wie oft dachte ich schon, "jetzt finde ich wohl nichts mehr", und dann ergab sich ein neuer Hinweis, ein neuer Ansatzpunkt.

Ein paar Einblicke in die Ergebnisse will ich hier geben, vielleicht reizt das ja irgendwen, sich ebenfalls auf eine solche Reise zu begeben.....

Und wenn jemand an genaueren Daten und Angaben interessiert ist: die Details lassen sich z.B. hier einsehen (in das Suchfeld oben rechts den gesuchten Namen eingeben).

Doch ehe ich mit der Geschichte anfange, zunächst ein paar passende gereimte Zeilen, natürlich inspiriert von dem Genius eines gewissen Heinz Erhardt:

Ritter Fips und die Genealogie
 

Ritter Fips, bei einem Freund zu Gaste,
(der Ritter gern bei Freunden prasste)
sah an der Wand ein Bäumchen hangen,
und daran Namensschilder prangen.
Ein Stammbaum sei’s, sein Freund erklärt‘,
der zeigt, was war und nachher werd‘
bei Vorfahr- und Nachkommenschaft.

Das hatte Fips auch gleich gerafft,
doch dann kam ihm schon in den Sinn:
Dies Steckenpferd wär nichts für ihn.
Denn da der Ritter sehr beleibt,
ansonsten gänzlich unbeweibt –
des Fipsens Gunst galt Speis und Trinken,
vor allem liebt‘ er Bier und Schinken –
er konnt‘ es drehen und auch wenden,
sein Bäumchen würde bei ihm enden.

Eh‘ sie begann, schon endet sie,
des Fipsens Genealogie.

Schlussfolgerung:
Mit dem Eintrag „Kinder: ohne“
wird kein Ahn man, nicht die Bohne.

 

 

Wie alles begann...

Eines Tages fragte mich eine meiner Cousinen, ob ich nicht an einer Stammbaumerstellung auf einer online-Seite mitmachen wolle, an der sie mitwerkelte. Ich besah mir die Sache, es reizte mich, Unzutreffendes und Fehlendes zu berichtigen und zu ergänzen - und schon war ich mittendrin!

Allzu viel an Unterlagen hatte ich nicht, die mich hätten voranbringen können: ein nicht besonders ergiebiges Familienstammbuch meiner Eltern, dann fand sich noch ein handgeschriebener Zettel meines Großvaters mütterlicherseits mit Angaben zur Familie (wahrscheinlich für einen Ahnenpass zusammengestellt) - das war es schon. Dann stellte sich jedoch heraus, dass eine andere Cousine parallel ebenfalls an eine Stammbaum bastelte, und von da an nahm die Sache Schwung auf.

An dieser Stelle will ich über einige Erkenntnisse berichten, die sich im Laufe der Jahre ergaben. Das soll nicht sehr detailliert werden, sondern mehr eine Geschichte erzählen: die Geschichte meiner Herkunft.

 

 

... und was daraus wurde

Rheinisches

Es ist schon irgendwie sonderbar: die beiden Familiennamen, bei denen ich in den jeweiligen Linien am schnellsten an Grenzen stieß, waren die meiner Eltern: Schmitz und Nickoleit. "Schmitz" gibt es im Rheinland zwar wie Sand am Meer, aber das macht die Suche nicht gerade einfacher. Lange Zeit ging es überhaupt nicht weiter, weil zu den Namen der Eltern eines Vorfahren einfach nichts Passendes zu finden war. Schließlich verdichtete sich die Erkenntnis: die Namen der Eltern in der Sterbeurkunde eines Vorfahren waren wohl Phantasieprodukte! Am angegebenen Geburtsort Gustorf (heute ein Ortsteil von Grevenbroich) fand sich im fraglichen Zeitraum durchaus eine Geburt mit einem passenden Namen des Täuflings, aber: die Eltern trugen ganz andere Namen!

Zu allem Überfluss war auch die Mutter eine geborene Schmitz, mit Vornamen Gertrud. Da im Heiratseintrag des Paars die Eltern nicht angegeben waren (warum waren die Pfarrer auch nur so schreibfaul!), lässt sich an der Stelle mütterlicherseits nichts weiter verfolgen; im fraglichen Zeitraum um 1750 gab es in diesem Ort gleich ein halbes Dutzend  Frauen gleichen Namens! Der Vater lässt sich auch nur eine weitere Generation verfolgen, in den heutigen Grevenbroicher Ortsteil Elsen (damals war die Bedeutung von Elsen und Grevenbroich genau umgekehrt) - und dann verliert sich mit Gördt Schmitz und Catharina Brüggen auch hier jede weitere Spur, mangels Angaben in den Kirchenbüchern. Aber immerhin: Gördt und Catharina dürften um 1680 geboren sein.

Folgt man den Spuren der Nachkommen dieser Linie, so sieht man, dass sie gewissermaßen einen Bogen schlagen um die Stadt Grevenbroich, zu der die Wohnorte heute gehören: Barrenstein, Allrath, Gustorf, Elsen. Bei den anderen Vorfahren war es in einigen Fällen nicht anders. In das heutige Stadtzentrum hatte niemand Verbindungen, aber die heutigen Stadtteile sind fast alle vertreten.

Dass wir überhaupt recht weit vorgedrungen sind, ist u.a. das Verdienst einer eifrigen genealogischen Gruppe in Rommerskirchen. Diese Gruppe sorgte schon relativ früh dafür, dass Unterlagen im Internet zugänglich waren. Eine besondere Fundgrube waren dabei die Kirchenbücher der Pfarrei Oekoven (früher gehörte der heutige Grevenbroicher Ortsteil Barrenstein zur Pfarrei Oekoven), und dann später die Standesamtsunterlagen der heute in der Gemeinde Rommerskirchen zusammengefassten Orte Evinghoven, Nettesheim und Rommerskirchen.

 

Die Vorfahren waren zumeist als Handwerker oder in der Landwirtschaft beschäftigt. Da finden sich Schneider und Schreiner, aber häufig auch Tagelöhner. Was allen Linien gemeinsam ist, die sich weit genug zurück verfolgen lassen und bei denen es ausreichend Informationen bei den Kirchenbuch-Eintragungen gibt: sie gehen zurück auf eine der Halfen-Familien des Rheinlands. Halfen? Als ich mit meinen genealogischen Studien begann, hatte ich den Begriff zwar schon einmal gehört, aber mir nichts darunter vorstellen können.

Die großen Höfe im Rheinland gehörten alle diversen Großgrundbesitzern. Das waren Adlige, aber vor allem Klöster und Kirchen. Die Bewirtschaftung dieser Höfe oblag Pächtern, die eine eigene gesellschaftliche Schicht darstellten, sozusagen den Landadel bildeten. Für diese Pächter gab es unterschiedliche Begriffe: villicus/villica als lateinischen Begriff, oder Halfmann (Halfleute bei Ehepaaren), Halfen, Hofmann. Halfmann/Halfe stammte dabei von der Art des Pachtvertrags in den Anfangszeiten. Da musste die Hälfte des erwirtschafteten Ertrags an die Pachtgeber abgeführt werden. Später waren zumeist feste Abgaben vereinbart, aber der Name "Halfe" blieb.

 

 

 

Mein Großvater Heinrich Schmitz war Schneider in Grevenbroich-Barrenstein. Sein 5 Jahre älterer Bruder Johann war Sparkassendirektor in Krefeld - so sehr können sich Lebensläufe unterscheiden, wenn die Startbedingungen verschieden sind! Johann erhielt eine höhere Schulbildung, Heinrich nicht.

Die meisten Vorfahrenlinien, die von meinem Großvater Heinrich Schmitz (1882-1952) ausgehen, enden zwischen 1600 und 1700 - vor dieser Zeit existieren keine Kirchenbücher. Andere Quellen zu verfolgen, ist wesentlich mühsamer, und nicht bei allen Vorfahren kann ich davon ausgehen, dass sie irgendwo aktenkundig geworden sind (Grundstücksangelegenheiten, Prozessakten etc.) oder dass die entsprechenden Akten noch existieren. Bei den Kirchenbüchern hat sich die Möglichkeit von Funden in den vergangenen Jahren immer weiter verbessert, weil immer mehr an Material über das Internet zur Verfügung steht.

 

Ein interessantes Vorfahrenpaar bewirtschaftete als Halfen den Frankenhof in Rommerkirchen-Deelen: Laurenz Kipels und Walburg Hambloch. Zum einen ließen sich für drei Kinder dieses Paares die Familien ermitteln, zum anderen taucht der Name Hambloch in vielen Halfenlinien auf. Sie alle scheinen ihren Ursprung in Nettesheim zu haben, heute ein Ortsteil von Rommerskirchen. Die Hamblochs lassen sich in diversen Genealogien weiter zurück verfolgen; danach scheint es, dass der Stammvater dieser Linie aus dem Gebiet des nördlichen Niederrheins stammte, und dass der Familienname ursprünglich "Hambroich" (Hambroeck, Hambruck) war. Solche Namensveränderungen sind für frühere Zeiten keineswegs unüblich; die Namen wurden oft nur nach Hörensagen eingetragen, und selbst in Gerichtsprotokollen finden sich die unterschiedlichsten Schreibweisen. Nach langem Suchen und Stöbern gelang es schließlich, Walburg Hambloch in die Hambloch-Linien einzureihen, womit sich diese Linie nun bis ins 15. Jahrhundert zurück verfolgen lässt.

 

Ein weiterer interessanter Name ist "Riphan". Diesen Namen findet man in verschiedenen Schreibweisen, wie Riphahn, Riphaen oder Ripphahn. Mein Spitzenahn in dieser Linie ist ein Michael Riphan, der mit seiner Frau Cecilia Neissen wohl in Oekoven einen Hof bewirtschaftete. Dass wir es hier mit einem Halfenpaar zu tun haben, lässt sich daran erkennen, dass die Paten der Kinder von den großen Höfen der Umgebung stammten. Der Name geht wohl auf den Tiernamen "Rebhahn" zurück, woher er stammt, ist noch nicht eindeutig geklärt. Es gab diesen Familiennamen allerdings schon vor 1600 in der Stadt Neuss, aus späteren Jahren ist er auch in Köln bekannt. Zwei Söhne des Michael lebten später in Köln, vermutlich aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen dorthin verzogen.

 

Mein Großvater Heinrich Schmitz war verheiratet mit Elisabeth Meyen (1886-1960), deren Vorfahren aus dem heute zu Bergheim gehörigen Ort Niederaußem stammten. Auch hier kam ich lange Zeit hier bei der Ermittlung der Vorfahren nicht weiter. Es ist schon erstaunlich, durch welche Umstände man immer wieder ausgebremst wird. In diesem Fall war es so, dass die Kirchenbücher von Niederaußem über längere Zeit im rheinischen Personenstandsregister, das seinerzeit in Brühl untergebracht war, nicht verfügbar waren - wegen Digitalisierung. Und man fährt nicht so eben mal von Lüneburg nach Brühl, das ist doch ein Stück entfernt. Doch dann hatte ich Glück: es gab Verkartungen dieser Pfarrei! Und die waren auf einer CD erhältlich! Das brachte schließlich den Durchbruch, und es stellte sich heraus, dass die Meyens über Generationen lang in Niederaußem ortsansässig gewesen waren.

 

 

 

Meine Großmutter Elisabeth Meyen, eine gütige und freundliche Frau, deren 3 Söhne den Kriegsdienst überlebten, wenn sie auch teils nicht unversehrt bzw. erst nach jahrelanger Kriegsgefangenschaft zurückkehrten.

Weiter ergab sich, dass auch hier alle Vorfahrenlinien bei Halfenfamilien endeten: Fußwinkel, Kaul, Hundgeburt. Die Hundgeburt-Vorfahren bewirtschafteten die großen Höfe in den Ortschaften nordwestlich von Köln, so z. B. Arnold Contzen den nach ihm benannten Arnoldshof in Köln-Bocklemünd. Mit Paulus Dorn, der um 1650 verstarb, und seiner Ehefrau Catharina Kistenmacher verlieren sich schließlich diese Spuren.

 

"Fußwinkel" und "Kaul" sind zwei Familiennamen, die sich von landschaftlichen Bezeichnungen / Wohnplätzen ableiten: "Fuchswinkel" bzw. "Grube". Man erkennt, hier sind regionalsprachliche Begriffe in den Familiennamen verankert. Der Name "Hundgeburt" ist dagegen nicht so einfach erklärbar.

 

Zu diesem Namen HUNDGEBURT finden sich mehrere Erklärungsversuche, von denen manche zwar anschaulich zu sein scheinen, aber doch nur von der Schreibweise abgeleitet sind. Hierzu gehört die Variante, dass es sich bei den Namensträgern um Nachfahren von Bauern handelte, die als Frondienst Hunde aufzogen, die der Besitzer des Hofs dann zur Jagd einsetzte.

Zutreffender ist wohl eine Interpretation, die mir mein entfernter Vetter Manfred Junker mitteilte, wonach der Name mit einem Begriff zu tun hat, der auf alte fränkische Strukturen zurückgeht. Zu früheren Zeiten waren die Gebiete in „Hond(t)schaften“ eingeteilt, was sich wohl vom Zahlwort „hundert“ herleitet. Diesen Begriff „Hondtschaft“ bzw. „Honnschaft“ gibt es tatsächlich heute noch mancherorts. Beim Suchen im Internet fand ich, dass sich z.B. in einigen Stadtteilen von Mönchengladbach Nachbarschaften so bezeichnen. Der Anführer einer solchen Hondtschaft war in ländlichen Gegenden sicherlich ein Großbauer; diese stellten auch später noch die Schöffen für die Landgerichte. Mit der rheinischen Bezeichnung „Bur“ für „Bauer“ kann man aus Hondtschaft und Bur durchaus zum „Hundgeburt“ kommen, wobei die Schreibweise recht kreativ gehandhabt wurde: HUNDGEBURT, HUNDTGEBURT, HUNDGEBURTH, HUNDGEBUHRT, und – als nach dem Hören geschriebener rheinischer Genitiv – HUNGEBUSCH, etc. pp.

Die „Honnschaft“ war gleichbedeutend mit der „Burschaft“, wie sie mancherorts bezeichnet wurde. Diese Burschaften waren für die Eintreibung von Steuern und Abgaben zuständig und ebenso für die niedere Gerichtsbarkeit. Es findet sich auch der Begriff „Bauerschaft“ für die Burschaft, und das legt schon nahe, dass es Bauern waren, deren Siedlungsgebiete solchermaßen strukturiert wurden. Das Wort „bur“ soll in seiner ursprünglichen Bedeutung „Hof“ gemeint haben (daher vielleicht auch der Begriff „Vogelbauer“ für einen Vogelkäfig). Im Mittelhochdeutschen bedeutete dann „gebure“ Mitbewohner, Nachbar, Dorfgenosse. Und da sind wir nun schon nah dran am „Hondgebur“ – das nach dieser Lesart mit „hundert Einwohner“ übersetzt werden könnte!

Auch in der mütterlichen Vorfahrenlinie der Elisabeth Meyen treffen wir auf zwei recht ungewöhnliche Familiennamen: Bonneschranz und Küttelwesch. Während ich bei "Bonneschranz" die Namensbedeutung recht schwierig zu ermitteln ist (es läuft wohl auf etwas wie einen Bohnenbauern hinaus), bin ich für Küttelwesch nach einigen (durchaus kreativen) Fehlversuchen fündig geworden: es ist die Bezeichnung für jemanden, der Kutteln wäscht - also im Wesentlichen die Bezeichnung für einen Metzger/Fleischer. 
Generell lassen sich die Linien in diesem Bereich bis tief ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen, wobei die Wohnorte in einem Dreick zwischen Rommerskirchen, Allrath und Barrenstein lagen.

 

So weit zunächst einmal zu den väterlichen Vorfahren, die alle aus der linksrheinischen Region zwischen Köln und einem Gebiet nordwestlich von Neuss stammten. Bei den mütterlichen Linien ist die geographische Spreizung unvergleichlich größer.

 

Eiflerisches

Mein Großvater mütterlicherseits stammte aus Ostpreußen. Das war seiner Sprechweise auch noch im Alter anzumerken, er hat seinen ostpreußischen Akzent nie abgelegt. Als Maurergeselle war er auf der Wanderschaft nach Köln gekommen; hier traf er auf ein Mädchen aus der Eifel, das sich in Köln als Hausangestellte den Lebensunterhalt verdiente. Und so endete seine Wanderzeit im Rheinland, die beiden heirateten und zogen nach Bergheim, westlich von Köln gelegen.

 

 

 

Meine Großmutter Anna Blum, der leider kein langes Leben beschieden war.

Die Ehefrau des Otto Nickoleit, Maria Anna Blum (1899-1935), stammte aus Hallschlag. Dieser Ort liegt heute an der nordwestlichsten Ecke von Rheinland-Pfalz und nur wenige Kilometer von der belgischen Grenze entfernt. Die Ortschaften dieser Region wechselten ständig ihre Zugehörigkeit, und so verliefen die Grenzen immer wieder anders. Das lässt sich manchmal auch daran ablesen, aus welchen Ortschaften die Ehepartner zueinander gefunden hatten. Die Blum-Vorfahren waren sehr wanderlustig, und so verliert sich ihre Spur etwa um 1800. 

Maria Annas Großvater Mathias Blum heiratete 1867 in Kronenburg, dem Nachbarort von Hallschlag, Maria Anna Ewerhard (man sieht, die Auswahl an Vornamen war recht begrenzt; das lag vor allem daran, dass die Täuflinge den Vornamen der Paten erhielten - so blieben im wesentlichen immer dieselben Namen in Umlauf). Die Suche nach den Ewerhard-Vorfahren war lange Zeit mühselig, da sich die Ortsbezeichnungen von französisch nach deutsch und wieder zurück veränderten - doch wurde ich schließlich im heutigen Ostbelgien, an der Sprachgrenze zwischen französisch und deutsch fündig. Der Name "Ewerhard" ist die deutsche Form des wallonischen "Evrard"! Und diesen Familiennamen gibt es in dieser Region dermaßen häufig, dass die weitere Spur bisher unkenntlich blieb.

 

Johann Heinrich Everhard, Vater der Maria Anna, gebürtig aus Neuendorff im heutigen Ostbelgien, heiratete in Kronenburg Agnes Carlshausen. Die Vorfahren der Agnes, soweit sie rückverfolgbar sind, stammen aus Kronenburg, allerdings reicht die Rückverfolgbarkeit nicht sehr weit. Grund dafür ist, dass die frühen Kirchenbücher von Kronenburg bei einem Kirchenbrand vernichtet wurden. Damit ist jede weitere Rückverfolgung über diesen Zeitpunkt kaum noch möglich - aber Ausnahmen bestätigen die Regel auch hier. Dazu später mehr.

 

Die mütterliche Vorfahrenlinie der Maria Anna Blum führt in den Nachbarort Hallschlags, nach Ormont. Die "Further" waren eine sehr zahlreiche Familie, deren Nachkommen sich nicht nur in der Region verteilt haben, sondern auch in den USA. Der Name stammt von dem Haus der Familie, das an einer Furt über den Bach namens Taubkyll lag; das Haus wurde erst vor wenigen Jahren abgerissen. 
Über die Vorfahren der Furths ließ sich erstaunlicherweise vieles in Erfahrung bringen. Das lag unter anderem daran, dass für die Pfarrei Ormont ein Familienbuch erstellt worden ist (wie auch für die Pfarrei Hallschlag), und so hat jemand die mühselige Arbeit der Entzifferung und Zuordnung schon erledigt, eine erhebliche Erleichterung der Forschungsarbeit! 

 

So ergab sich, dass eine der Vorfahrenlinien bei Josef Nellessen (1716-1796) landete, der als Sendschöffe (zur Bedeutung des Begriffs hier ein Verweis auf Wikipedia) fungierte. Dessen Großvater war Michael Servais, der in Ormont 1714 verstarb und dessen Beruf mit "Notar und Hochgräflich Kanzleidirektor" angegeben wird. Das "Hochgräfliche" kann sich nur auf die Herrschaft Kronenburg beziehen, von dort stammte seine Ehefrau Christina Heep.

Und mit dem Namen Heep stieß die Linie plötzlich unerwartet weit in die Vergangenheit hinein. Im Familienbuch Ormont war eine Familientafel abgedruckt, die im heute belgischen Manderfeld aufgefunden worden war. In dieser Familientafel hatte jemand die Familie Heep aufgezeichnet, und damit einen Einblick in familiäre Zusammenhänge gegeben, der auf Grund des Verlustes der Kronenburger Kirchenbücher ansonsten nicht mehr möglich gewesen wäre. So ergab sich, dass Christina Heep die Tochter des Gerhard Heep war, "Hochgerichtsschreiber zu Kronenburg, vorher zu Reifferscheid". Kronenburg gehörte wohl mit Reifferscheid zu Luxemburg, und von Reifferscheid gibt es eine Verbindung zum Kloster Steinfeld, dem wiederum der Mönchhof/ Steinfelderhof in Bessenich gehörte. Auf diesem Hof waren die Heeps Halfen, seit Goddert Heep aus Zülpich dort die Pacht übernommen hatte. Bei dessen Sohn Johann, der 1601 auf dem Mönchhof verstarb, dürfte es sich um den Großvater des Gerhard Heep handeln.

Diese Familiengeschichte wiederum ließ sich einem Stammbaum entnehmen, den ich im Internet fand, und der die Linie bis etwa 1300 in die Zülpicher Bürgerschaft zurück verfolgt.

 

So hatte sich hier die Möglichkeit ergeben, mittels anderer Unterlagen als nur eben der Nutzung von Standesamtsakten und Kirchenbüchern in die Vergangenheit zurück zu "sehen", und das in diesem Fall recht weit. Eine andere Möglichkeit ergab sich, als mir ein Forscherkollege ein Verzeichnis der "Herdstellen" für die Herrschaft Kronenburg zusandte, die in die Zeit des 30jährigen Kriegs datiert war. Dort fand ich für verschiedene Orte die Namen von Familien, die in meinen Ahnenlinien standen, und konnte so bis in die Anfänge des 17. Jahrhunderts diese Familien zurückverfolgen.

 

 

Ostpreußisches

 

 

Mein Großvater Otto Nickoleit, aus einer Famile, die über Generationen hinweg das Maurerhandwerk in der Region Gumbinnen in Ostpreußen ausübte. Er kam als Maurergeselle nach Köln, wo er seine spätere Frau kennenlernte. Nach deren frühem Tod heiratete er nicht wieder.

Zurück zu meinem Großvater aus Ostpreußen, Franz Otto Nickoleit (1894-1971). Der Name "Nickoleit" ist litauischen Ursprungs und leitet sich vom Vornamen Nikolaus ab. Die Region Gumbinnen, aus der die "Nickoleits" stammten, war von Litauern besiedelt worden, und so ist es kaum verwunderlich, dass man aus diesem Bereich viele Familiennamen litauischen Ursprungs antrifft. Leider endet die Nickoleit-Linie schon um 1800, mit dem Maurer David Nickoleit (Ehefrau unbekannt); die Kirchenbuchbestände sind für Gumbinnen und die unmittelbare Umgebung äußerst lückenhaft und wohl zum großen Teil nicht mehr vorhanden. Die andere Linie endet bei Wilhelm Kammerowski, jedoch die Linie seiner Ehefrau Elisabeth Kowalitzki/Kowalewski lässt sich noch ein Stück weiter verfolgen. Dabei stieß ich neben dem masurischen (?) Kowalewski in zwei Generationen auf litauische Familiennamen. Hier haben wir ein Anzeichen dafür, dass wir es in Ostpreußen mit einem Vielvölkergemisch zu tun haben, geradezu ein "baltisches Amerika". Während man litauische, masurische oder polnische Abstammungen in dieser Grenzregion Ostpreußens schon erwarten kann, sind die Ursprünge "der Ostpreußen" durchaus vielfältiger. Wir werden auf  weitere Völker in der Ahnenreihe treffen. 

Die Ehefrau meines Urgroßvaters Johann Emil Nickoleit war Wilhelmine Pieck. Und mit ihr nähern wir uns nun langsam den Ereignissen, die mit den beiden nachfolgend gezeigten Abbildungen zu tun haben.

 

Vermutlich stammt der Name "Pieck" aus dem Rheinland; zumindest lässt sich das nach der Verteilung dieses Namens vermuten. Die Schreibweise ist dabei verschieden, sehr häufig findet man diesen Namen auch ohne "e". Diese Pieck-Linie lässt sich bis zu Johann Pieck verfolgen, der zwischen 1763 und 1768 mit Anna Barbara Laser in Mehlkehmen Kinder taufen ließ. Während sich die Pieck-Spur bisher nicht weiter zurück verfolgen ließ, gibt es für die Herkunft der Anna Barbara Laser immerhin die begründete Vermutung, dass sie von Schweizer Einwanderern abstammt.

 

Die weiteren Vorfahren der Wilhelmine Pieck tragen ausnahmslos Namen, die aus dem Salzburger Land stammen: Scharfhuetter, Kohlekker, Kendler, Stegenwallner, Schweiger. Und in ihrer mütterlichen Linie gelangen wir zu den Namen Atrott und Bartolain, der erstere womöglich aus Thüringen, der letztere Waldenser Ursprungs.

Was brachte nun alle diese Völker in Ostpreußen zusammen?

 

Der Grund hierfür ist in den verschiedenen Pestepidemien zu suchen, die diese Region heimsuchten, vor allem aber in der Großen Pest, die zwischen 1709 und 1711 in Ostpreußen wütete und, gerade im Bereich Gumbinnen, ganze Landstriche entvölkerte. Um diesen Bevölkerungsverlust zu kompensieren, begann König Friedrich I. ("König in Preußen") schon bald mit einer Wiederansiedlung, zunächst holte er Schweizer Kolonisten; diese "Repeuplierungspolitik" wurde von seinem Nachfolger Friedrich Wilhelm I. intensiv fortgeführt. Dieser holte 1731 mehr als 17000 Salzburger Glaubensflüchtlinge, die als Protestanten vom Salzburger Fürstbischof des Landes verwiesen worden waren, nach Preußen.

 

Zu den ersten Einwanderergruppen gehörten Schweizer Siedler, insbesondere aus dem übervölkerten Jura (daher trifft man viele Namen französischen Ursprungs - nicht alle solche Namen stammen von Hugenotten ab!). Zu diesen frühen Einwanderern, bis etwa 1713, zählen auch Waldenser, die als Glaubensflüchtlinge in Europa umherzogen (manchmal hat man den Eindruck sehr verschlungener Wege, die diese Menschen gezogen sind, wenn man sich mit der Geschichte der Waldenser befasst). Es hatten sich in den Jahrzehnten zuvor schon einige Waldenser in Deutschland angesiedelt, und man kann den Eindruck gewinnen, dass einige der Waldenser, die später in Ostpreußen siedelten, in diesen Orten Zwischenstation gemacht hatten.

 

Im Fürstbistum Salzburg hatten sich um 1730 die Spannungen zwischen Teilen der Bevölkerung, die sich der evangelischen Lehre zugehörig fühlten, und dem Fürstbischof von Firmian verschärft. Als alle Repressalien nicht dazu führten, dass die Evangelischen zurück in den Schoß der römischen Kirche kamen, entschloss sich der Fürstbischof, die renitenten Untertanen des Landes zu verweisen. Er argumentierte dabei, dass für Salzburg der Augsburger Religionsfriede nicht gelte. So verließen denn innerhalb kurzer Zeit etwa 20000 Menschen das Salzburger Land. Diesem Zug schlossen sich auch Einwohner der Fürstpropstei Berchtesgaden an. Gut 17000 Menschen kamen schließlich in Ostpreußen an, wohin sie Friedrich Wilhelm I. eingeladen hatte. Die Züge der Salzburger Exulanten nahmen unterschiedliche Routen, eine Route führte sogar per Schiff über den Rhein nach Wesel und von dort ostwärts.

Diese Züge der Salzburger sind recht gut dokumentiert und ebenso die Namen der in Ostpreußen Angekommenen. Somit lassen sich für sehr viele Familien Abstammung und Nachkommenschaft gut belegen, im Fall der Scharfhütter/Scharfetter bis zu Hans Scharfetter, bis 1584 Besitzer des Scharfetthofs im Pongau. Viele Hofbesitzer waren unter den Exulanten, und diese konnten schließlich sogar ihre aufgegebenen Höfe verkaufen und von dem erzielten Erlös in der neuen Heimat eine neue Existenz aufbauen. Dem brandenburgisch-preußischen Staatswesen konnte das nur hoch willkommen sein, waren doch vorher die Neubürger oft völlig mittellos gewesen und benötigten erhebliche finanzielle Unterstützung für die Ansiedlung.

 

 

 

So ist die Geschichte Ostpreußens die eines Landes, das - zumindest seit die Deutschordensritter begannen, das Land der Pruszen zu besetzen - ständigem Wechsel der Zusammensetzung der Bevölkerung unterworfen war. Im Endeffekt hat sich das bis auf den heutigen Tag nicht geändert.

 

Nun bin ich am Ende meiner kurzen Ausführungen angelangt. Vielleicht weckt diese ja in dem einen oder anderen Leser die Lust, die eigenen Wurzeln zu erforschen. Das ist heute im Zeitalter des Internet und der Digitalisierung weitaus einfacher, als es noch vor etwa 20 Jahren gewesen war. Es werden auch immer mehr Unterlagen digitalisiert, und so kann man sich aus der heimischen Umgebung heraus vieles erarbeiten. Andererseits werden mehr und mehr digitalisierte Daten zugangsbeschränkt und/oder kostenpflichtig, die vor wenigen Jahren noch kostenlos einsehbar waren. Aber wie auch immer, selbst solche Kosten liegen niedriger als ein mehrtägiger Aufenthalt in einem entfernt gelegenen Archiv.

 

Ich wünsche allen, die sich auf eine Reise zu den eigenen Ursprüngen machen, viel Vergnügen - und viel Erfolg!

 

Franz Peter Schmitz, im Januar 2018 (Ergänzungen im März und Dezember 2019)